In unserer Reihe “Experten klären auf” befragen wir heute Professor Dr. Hans K. Trauternich, Psychologe und Namensforscher. Wir beschäftigen uns mit Thilo Sarrazin, dem es gerade wieder einmal gelungen ist, mit der Warnung vor Überfremdung nicht nur seinen Aufmerksamkeitswert, sondern auch die Auflagenzahlen seines Buches zu steigern.
Kommen wir zu unseren Fragen.
Dwars: Herr Prof. Dr. Trauternich. Wie erklären Sie sich, dass Herrn Sarrazin immer wieder in die selbe Trickkiste greift, sowie wie jetzt gerade, und gegen muslimische Migranten auskeilt?
Prof. T.: Sarrazins Verhalten legt die Vermutung nahe, dass dieser Mann unter Minderwertigkeitskomplexen leidet, die er durch ein nach außen gerichtetes, aggressives Auftreten zu kompensieren versucht.
Dwars: Minderwertigkeitskomplexe? Bei Sarrazin? Entschuldigung, aber ich finde, der Mann leidet an Selbstverliebtheit und Selbstüberschätzung.
Prof.T.: Das eine schließt das andere nicht aus. Diese Menschen handeln instinktiv nach dem Motto: “Wenn mich die anderen schon nicht mögen, dann wenigstens ich”. Und treten daher umso auffälliger in der Öffentlichkeit auf. Sehen sie einmal Guido Wester….
Dwars: Sorry, dass ich Sie an dieser Stelle unterbreche. Wir wollen dieses Gespräch nicht ausufern lassen. Bei unserem Außerminister könnte man von einem minder schweren Fall sprechen, hingegen scheint es sich bei Thilo Sarrazin um einen, ich möchte es jetzt ganz brutal ausdrücken, fast einen Triebtäter handeln.
Prof. T.: Der Vergleich ist nicht einmal so abwegig. Menschen wie Sarrazin sind Getriebene, die davon leben, sich durch Mißachtung und Diskreditierung von Minderheiten ins Gespräch zu bringen. Das Schlimmste für solche Menschen wäre es, wenn man sie einfach ignorierte. Auch eine negative Reaktion der Gesellschaft ist immer noch besser, als nicht wahrgenommen zu werden.
Dwars: Ach, könnte man das vergleichen mit Kindern, die provozieren und gewalttätig reagieren, damit sie endlich Aufmerksamkeit erfahren. Kinder, die zu wenig Liebe bekommen und sich Zuwendung, in diesem Fall negative Zuwendung, erkämpfen.
Prof. T.: Ja, so ungefähr kann man sich das vorstellen. Vielleicht leidet Herr Sarrazin auch an einem Trauma, von dem er sich nicht befreien kann.
Dwars: Herr Professor. Ich möchte da jetzt einmal eine gewagte These aufstellen. Könnte es sein, dass Herr Sarrazin unter seinem Namen leidet? Vielleicht wurde er in seiner Kindheit aufgrund seines Namens gehänselt.
Prof. T.: Jetzt sprechen Sie mich als Namensforscher an. Ihre These ist nicht einmal so abwegig. Der Name “Sarrazin” leitet sich, und hier zitiere ich Wikipedia immerhin von dem im Mittelalter in lateinischen Quellen seit dem 11. Jh. vielfach dokumentierten Namen oder Beinamen Saracenus ab, der in vielen Fällen wegen einer sarazenischen Herkunft des Trägers entstand. Und wie wir wissen, wurde der Begriff “Sarazene” als Sammelbezeichnung für muslimische Völker, vor allem nach der Expansion ab 700 n. Chr. in den Mittelmeerraum und der Besetzung Andalusiens, meist in angstgeprägtem Sinne benutzt.
Dwars: Das erklärt einiges. Besteht die Wahrscheinlichkeit, dass der kleine Thilo von seinen Mitschülern aufgrund des vermittelten Geschichtsunterrichtes Diskriminierungen ausgesetzt war? Wir wissen, Kindern können grausam sein.
Prof. T.: Ja, durchaus. Dass sein Name in Verbindung mit Muslimen gebracht wurde und er darunter zu leiden hatte, könnte den Jungen schon erschüttert haben. Und wie so oft richtetet sich der Hass und die Wut dann nicht auf die Peiniger, sondern es wird sich ein schwächeres Opfer gesucht. Ein Opfer, dass für die geschädigte Person als Sündenbock herhalten muss, obwohl es nichts zu dieser Schädigung beigetragen hat. Solche Fälle sind hinlänglich bekannt.
Dwars: Das würde in der Tat manches erklären bei Thilo Sarrazin. Sind ihrer Erfahrung nach solche Personen überhaupt geeignet, öffentliche Ämter zu bekleiden? Immerhin ist es ein großer Unterschied, ob solch ein Mann privat am Stammtisch seine Tiraden verbreitet oder als Inhaber eines Amtes, egal ob es sich dabei um ein Ministeramt oder das eines Bundesbanker handelt?
Prof.T.: Da gebe ich Ihnen recht. Automatisch werden einem Amtsinhaber größere Aufmerksamkeit geschenkt als einem biertrinkenden Stammtischbruder. Letztendlich wird durch diesen Aufmerksamkeitsfaktor genau das Gegenteil erreicht von dem, was viele, die sich kritisch damit auseinandersetzen, erreichen wollen.
Dwars: Ist solchen Menschen wie Sarrazin oder Broder, der ebenfalls in diese Kategorie fällt, noch zu helfen?
Prof. T.: Ich glaube, solange Sie Aufmerksamkeit erheischen können, werden sie ihre jede Gelegenheit nutzen, sich mit ihren diskriminierenden Anfeindung gegenüber Migranten in den Vordergrund zu drängen. Sie wiegeln auf und schaffen Vorurteile. In wirtschaftlichen Zeiten wie diesen bedeutet das eine Gefahr für unsere Demokratie, weil Menschen, die nicht differenziert denken, nur zu gerne bereit sind, ihnen Glauben zu schenken, anstatt die wirklichen Verursacher der Krise zur Rechenschaft zu ziehen. Selbst wenn die Bücher und die Artikel nicht komplett gelesen werden, reichen die Bruchstücke, die über die Medien verbreitet werden dazu aus, sich aufgrund ihrer Eingängigkeit in den Köpfen festzusetzen.
Letztendlich handeln diese einfachen Menschen dann genauso wie ein Herr Sarrazin, dessen Persönlichkeit wir gerade zu analysieren versucht haben. Sie suchen sich einen Sündenbock. Damit schließt sich der Kreis.
Dwars: Noch mal meine Frage: Ist Herrn Sarrazin oder einen Herrn Broder noch zu helfen?
Prof. T: Ihnen nicht. Aber uns. Entziehen wir ihnen die Plattform, auf der sie sich präsentieren können. Lassen wir sie in Bedeutungslosigkeit versinken. Geben ihnen keine Chance mehr, sich zu präsentieren. Hier sind vor allen die Medien angesprochen.
Allerdings habe ich gerade da meine Zweifel, ob die zu solchen Maßnahmen bereit sind. Sie wissen ja, erst kommen die Einschaltquoten und Auflagenzahlen, dann die Moral…..
Dwars: Herr Professor, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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